2. Tag (Sonntag, 21. Juni 2015), St. Wendel - Herrischried
Der zweite Tag ist unter den Gedanken gestellt: „Wohin kommen wir bzw. wer ist unsere Herberge“, ver-kürzt gesagt. Zunächst fängt der zweite Tag für mich mit zu wenig Schlaf an. Längst vor dem Wecker bin ich wach – und lausche dem Regen. Das Saarland begrüßt uns an diesem Morgen nass und wolkenverhangen – da gibt man sich doch gern dem reichhaltigen Frühstück hin!
Den Zündfunken hat auch Rainers Maschine gehört – sie wollte nicht nur nach St. Wendel kommen, sondern auch in dieser Herberge bleiben – sie springt nicht an! Unsere bislang namenlose Gruppe hat das nicht akzeptiert und drei sie durch Anschieben zum Fahren bewegt – ein besseres Bild konnte es eigentlich nicht geben! Angekommen in der Gruppe! Kurz darauf folgen wir der Barockstraße – warum sie so heißt, hat sich mir leider nicht offenbart – allein mein Körpergefühl nach dem Frühstück in der Kombi fühlt sich schon sehr treffend nach barock an! Begegnungen unterwegs – Martins Gruppe winkt uns am Straßenrand zu – kurz darauf bestaunen wir nach der unspektakulären Grenze den Baguetteautomaten. Leider immer noch tief hängende Wolken verbergen den Blick auf die sicherlich schönen Anblicke in Parc du Vosges - meine Gedanken sind kurz bei Tim’s Bericht über den Gottesdienst für alle im Mittelmeer ertrunkenen Flüchtlinge und dem mitgebrachten Solidaritätsarmband, das ich trage – grotesk, dass ich mich gerade über das Wetter geärgert habe, Meinolf mit einer Glühbirne helfen konnte und mein Hauptproblem wegen meiner Rückenschmerzen aktuell darin besteht, möglichst locker im Sattel zu sitzen.
Die Strecke bietet bei zunehmend besserem Wetter alles, was Frau als Bikerin braucht, lange und geschwungene Kurven, kurze Kehren in Serpentinen, schnell, langsam, weite Blicke über Ebenen mit Feldern und Hügeln, dahingetupften Baumgruppen, dichte grüne Schluchten mit Wasserläufen und dem Geruch nach Wald, malerische Ortschaften aus rotem Sandstein bzw. im Schwarzwald Höfe mit Holzschindeln gedeckt bis fast zum Boden, hypnotisierender Lindenblütenduft und zu guter Letzt der Duft nach Vieh im Unterstand für die Motorräder mit dem Gebimmel von Kuhglocken im Hintergrund. Unzählige Male habe ich bei den Eindrücken buchstäblich Gänsehaut – vor Glück, dies erleben zu können. Durch, mit und in dieser Gemeinschaft – aber natürlich auch durch mich selbst. Indem ich genau das tue – den Weg mit der Gruppe befahren und mich dabei mitnehme. Für mich fängt also das Ankommen in mir selbst an.
Das „Feierabendbier“ ist wegen der Kürze der Zeit nach dem Landen zwar etwas hektisch – aber der Austausch wieder mit allen anderen auch beim Essen über die Erlebnisse des Tages gruppenübergreifend so vertraut, so herzlich, als wäre es nie anders gewesen. Und natürlich ist da auch wieder der Handschuhhelm dabei – und ich tippe darauf, dass bei uns allen, egal wo die nächste Fahrt mit einer Fähre Assoziationen auslösen wird. Auf diesem Weg und mit diesen Menschen fühle ich mich beherbergt – und ich freue mich ungemein auf die vor mir liegende Zeit mit ihnen und mir mittendrin.
Regina